KOLUMNE: DAS PERFEKTE LEBENSMODELL

11/27/2017

Kennt ihr diese Momente in denen ihr bemerkt, das Gegenüber hat mehr Plan vom Leben als ihr selbst? Letzte Woche habe ich mich in einem dieser Aha- Momente wiedergefunden. Gerade wenn wir über das Erwachsenwerden und das Entscheidungentreffen in Sachen Beziehung sprechen, fallen mir tausende Gründe ein alles genau so zu machen, wie wir es uns im Großen und Ganzen gerade alle vorstellen.

Das perfekte Lebensmodell

Achtung, Klischeesammlung. Wenn ich über meine Zukunftspläne spreche, dann geht es oft genug nur um mich. Ich möchte leben, sehen und reisen. Selten fallen mir dann die Worte Kinder, Auto und Haus ein. Davon sind wir wohl gesellschaftlich in den letzten Jahren komplett abgerückt. Was in der Werbung und in unseren Köpfen lange als zeitgemäß galt, ist längst überholt. Das sich Finden und Erleben haben wir ganz weit oben auf die To Do Liste im eigenen Leben gesetzt und dabei oft andere Lebensmodelle ausgeblendet. Zumindest kann ich hier für mich sprechen:

„Zuerst kommen immer erst einmal ich und meine Bedürfnisse.“

So erwarte ich diese Gedankengänge ganz klar auch von einer jungen Frau, die gerade ihr Studium angefangen hat.

Wir beide könnten aber nicht unterschiedlicher leben, denken und sein. Allein das Alter spielt eine Rolle, aber auch die Generation. Was ich heute über die frisch gekührten Abi-Damen denke? Sie wollen die Welt erleben, mit allem Möglichkeiten, die ihnen das Umfeld bietet. Raus aus der Kleinstadt, rein ins Big City Life. Nichts Verbindliches, nichts Langweiliges, bloß kein „mein Haus, mein Auto, meine soziale Stellung“. Keine Vorschriften von anderen auferlegt, mit der Möglichkeit alles auszuprobieren, alles zu erleben, ohne zu bereuen.

Vor mir sitzt sie, 19 Jahre jung, verlobt und will das Haus ihrer Eltern übernehmen. Die Großstadt befindet sich eine ganze Stunde entfernt. Sie wird ihre Ausbildung bald beenden und dann studieren, aber nicht ausziehen und aus ihrer Heimatstadt weggehen. Sie will bei ihrer Familie bleiben. Ihre Großeltern sind alt und sollen nicht allzu einsam werden. Sie möchte das Haus zusammen mit ihrem Freund übernehmen und kann sich ein Leben in dem Ort, in dem sie geboren ist, zur Schule ging und nun jeden Morgen 45 Minuten von der Haustür bis zur Uni benötigt, absolut vorstellen.

An diesem Punkt würde ich sie gern dazu überreden, alles noch einmal zu überdenken. Ich versuche ihr zu entlocken, dass sie eigentlich mehr will. Die Welt sehen und noch ein oder zwei Jahre einfach nur reisen.

Berlin, Hamburg und München klingen doch gut und hören sich in Gesprächen über die eigene Zukunft immer besser an, als der Name der Kleinstadt, in der man geboren wurde. Und genau da liegt vielleicht auch mein wunder Punkt. Vielleicht wollte ich doch nur erzählen ich lebe in Berlin, weil es gut, international und anerkannt klingt? Weil alle dort leben, weil alle freier und flexibler in der Großstadt sind. Richtig albern, aber richtig gängig in unseren Köpfen, oder?

New York, Paris und Amsterdam lassen Bremen, Buxdehude oder Madgeburg alt aussehen. Weil es in ist, nicht stehen zu bleiben und zu genießen. Wer will mit 19 heute eine Familie gründen? Offiziell schon fast verpönt. Wer will sich heute schon mit 22 an eine Person im Leben binden? Da könnte ja etwas besseres kommen. Oder was ist, wenn dir in 5 Jahren etwas fehlt?

"Dann ist es eben so“, sagt sie mir direkt ins Gesicht. Ich habe lieber dreimal falsch entschieden, als gar nicht und immer nur weitergegangen zu sein. Ich bin glücklich hier. Ich bin mobil, habe einen tollen Job und liebe meine Familie. Urlaube kann ich machen und all diese Reiseziele kann und werde ich besuchen. Aber wieso sollte ich glücklicher, freier und weltoffener sein, wenn ich in einer Großstadt lebe? Ich kann das alles auch hier sein, aus meiner Entscheidung heraus. Ohne Druck, ohne Millionen von Menschen um mich herum, die sich vielleicht auch nur für die Big City entschieden haben, weil alle es so machen.

Müssen wir uns irgendwann doch entscheiden und was ist am Ende wichtiger?

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