BOOK: EIN GANZES LEBEN

7/20/2016

"Aber du hinkst. Im Tal vielleicht, sagte Egger. Am Berg bin ich der Einzige, der gerade geht."































































Zurück in Mannheim - mal wieder. Die guten Nachrichten: Es sind Semesterferien! Die schlechten: Ich muss immer noch meine Hausarbeit und das Expose zu Ende schreiben. Als ich letztes Mal zu Besuch hier war, habe ich ein besonderes Buch gelesen. Mit einer sehr melancholischen und doch gleichzeitig hoffnungsvollen Stimmung. Ein ganzes Leben von Robert Seethaler, erschienen im Hanser Verlag, flüstert dem Leser leise ins Ohr: Alles nicht so schlimm. Das Leben geht weiter. 

INHALT: Als Andreas Egger in das Tal kommt, in dem er sein Leben verbringen wird, ist er vier Jahre alt, ungefähr - so genau weiß das keiner. Er wächst zu einem gestandenen Hilfsknecht heran und schließt sich als junger Mann einem Arbeitstrupp an, der eine der ersten Bergbahnen baut und mit der Elektrizität auch das Licht und den Lärm in das Tal bringt. Dann kommt der Tag, an dem Egger zum ersten Mal vor Marie steht, der Liebe seines Lebens, die er jedoch wieder verlieren wird. Erst viele Jahre später, als Egger seinen letzten Weg antritt, ist sie noch einmal bei ihm. Und er, über den die Zeit längst hinweggegangen ist, blickt mit Staunen auf die Jahre, die hinter ihm liegen. 

MEINUNG: Ein wunderbares Buch. Eine ergreifende und berührende Erzählung, die nicht nur das Herz rührt, sondern im leichten Erzählfluss tiefe Weisheit transportiert. Mit wenigen Worten die Tiefen des menschlichen Seins ausloten, das ist große Kunst. In einer einfachen Sprache, die sich aufs wesentlichste beschränkt, erzählt Seethaler das schwere Leben des Anderas Egger in einer Bergwelt, in dem viel trauriges passiert. Der Grundton der Traurigkeit überschwemmt das Buch jedoch nicht, sondern wird immer wieder aufgebrochen durch einen trotzigen Willen zum Glück. Auch das größte Unglück zerstört nicht das Ja zum Leben. So leicht lässt man sich halt nicht unterkriegen. Als einem Arbeiter beispielsweise der Arm abgerissen wird, ruft er den anderen zu, dass der Arm im Wald begraben werden soll."Vielleicht wächst daraus ein Johannisstrauch!" 
Und dann die sehr traurig endende einzige Liebe seines Lebens, zu Maria, die einem das Herz zerreißt. Wunderbar zart schildert Seetahler die tastende und unbeholfene Annäherung zwischen Andreas Egger und seiner Maria. Selten habe ich eine solch ergreifende Liebesgeschichte gelesen - eine, die mit so wenigen Worten auskommt. 
Die Geschichte greift aber nicht nur ans Herz, sondern zeugt von einer tiefen Weisheit. Nicht die Bequemlichkeit des Lebens oder äußere Güter sind es, die letztlich zählen. An Egger sieht man, dass das Leben gelingt, wenn man sein Schicksal annehmen kann, wenn man sich den Anforderungen seines Lebens stellt und die für sich richtigen Antworten findet. Glücklich ist derjenige, der sich dabei selbst findet. Am Ende lebt er ohne Bitterkeit im Einklang mit dem, was das Leben ihm gegeben und genommen hat. Trotz des schweren Lebens und der Schicksalsschläge geht Egger psychisch nicht zugrunde, sondern bleibt ganz er selbst, bleibt eine reine Seele, ja ein guter Mensch. Der Titel des Buches Ein ganzes Leben ist daher auch im Sinne eines ganz gebliebenen Lebens zu verstehen. 


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1 Kommentare

  1. Hört sich nach einem wirklich schönen und berührenden Buch an.
    Ich hab ein kleines Faible für recht düstere Geschichten, die in den Bergen spielen. Da gibt es schon ein paar sehr berührende und tolle Beispiele.

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